Pflegenotstand in Deutschland: immer mehr Pflegekräfte fehlen

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Pflegenotstand in Deutschland: immer mehr Pflegekräfte fehlen

Seit Jahren erlebt der Pflegesektor einen Rückgang an Arbeitskräften. In kaum einer Branche sind Mitarbeiter so knapp wie dort. Die Corona Pandemie hat diese Situation noch verschärft, aber auch die harten Arbeitsbedingungen in die Öffentlichkeit gerückt. Mit Applaus ist für die Betroffenen jedoch wenig getan. Wie geht es also weiter mit der Pflege in Deutschland?

Seit dem Beginn der Corona Pandemie hat Deutschland Tausende Pflegekräfte verloren. Allein von Anfang April bis Ende Juli 2020 ging die Zahl Schätzungen zufolge um mehr als 9.000 zurück. Das geht aus bislang unveröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, über die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichteten. Viele Pflegekräfte fühlen sich erschöpft und ausgebrannt, viele ziehen eine Kündigung in Erwägung oder haben schon in einen anderen Beruf gewechselt.

Besonders hart getroffen hat es die Krankenpflege in den Kliniken und zwar in allen Bundesländern. Wie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, fehlten zuletzt durchschnittlich bundesweit 18.200 Pflegekräfte - insbesondere Fachkräfte - und das obwohl seit 2013 circa 32 Prozent mehr Menschen in der Altenpflege beschäftigt sind. Bis 2035 könnten laut IW in der stationären Versorgung rund 307.000 Pflegekräfte fehlen.

Demographischer Wandel verschärft Fachkräftemangel

Unsere Bevölkerung wird immer älter, wodurch sich die Anzahl pflegebedürftiger Menschen deutlich erhöhen wird. Doch wer soll diese versorgen? Examinierte Altenpflegekräfte werden händeringend gesucht, zu wenige entscheiden sich für diese Ausbildung beziehungsweise schließen sie am Ende auch ab. In Hamburg beispielsweise beendet mehr als jeder Vierte vorzeitig die Ausbildung. Hinzukommt, dass ein Großteil des Pflegepersonals über 50 Jahre alt ist und bald in den Ruhestand geht. Nur selten arbeiten ältere Pflegekräfte aufgrund der hohen Arbeitsbelastung bis zum Renteneintritt in ihrem Beruf. In den kommenden zehn Jahren wird sich die Situation daher weiter verschlechtern.

Hohe körperliche Belastung und zu wenig Personal

Die Ursachen für den Mangel an Pflegekräften sind vielfältig. Da sind zum Beispiel eine fehlende Wertschätzung und Sensibilität für die Belastungen durch den Vorgesetzten zu nennen. Dem Pflegepersonal bleibt zu wenig Zeit für eine qualitativ hochwertige Pflege und menschliche Zuwendung, die vor allem für die Bewohner von Altenheimen so wichtig ist. Um dies zu ändern, ist mehr Personal nötig, das am Bedarf orientiert ist. Mitarbeiter im Pflegebereich wünschen sich zudem ein höheres Grundgehalt und die Bindung an den Tarifvertrag sowie höhere Zulagen für Sonderdienste. Dieser Wunsch nach Veränderung besteht nicht erst seit der Corona-Krise.

Mehr Geld und mehr Urlaub

Um mehr Anreize für die Wahl dieses Berufs zu schaffen, müssen die Arbeitsbedingungen dringend verbessert und die Weiterbildung ausgebaut werden. Daneben ist eine angemessene Bezahlung wichtig, um den Beruf des Pflegers beziehungsweise der Pflegerin attraktiver zu machen. Ein Schritt in die richtige Richtung sind die erneut steigenden Mindestlöhne für Pflegekräfte ab dem 1. September 2022. Demnach sollen die Mindestlöhne für Hilfskräfte bis Ende 2023 schrittweise von aktuell 12,00 auf 14,15 Euro steigen, für qualifizierte Hilfskräfte von 12,50 auf 15,25 Euro und für Pflegefachkräfte von 15,00 Euro auf 18,25 Euro. Diese Erhöhungen sind jeweils zum 1. September 2022, 1. Mai 2023 und 1. Dezember 2023 vorgesehen. Nach Angaben der Ministerien arbeiten rund 1,2 Millionen Beschäftigte in Einrichtungen, die unter den Pflegemindestlohn fallen.

Pflegekräfte sollen darüber hinaus auch mehr Urlaub erhalten. Demnach sollen Beschäftigte mit einer Fünf-Tage-Woche für das Jahr 2022 über den gesetzlichen Anspruch hinaus weitere sieben Tage bekommen, für die Jahre 2023 und 2024 jeweils neun Tage. Somit würde der Mindesturlaubsanspruch in der Altenpflege ab 2023 für Beschäftigte mit einer Fünf-Tage-Woche auf 29 Tage steigen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, wird sich zeigen. Sie sind jedoch ein Schritt in die richtige Richtung.

Digitalisierung in der Pflege

Ein weiterer Aspekt, der vorangetrieben werden muss, ist die Digitalisierung in der Pflege. Technische Innovationen können helfen, Pflegerinnen und Pfleger zu entlasten und dadurch mehr Zeit für den einzelnen Patienten ermöglichen. Im Mai 2021 wurde von der Bundesregierung ein „Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege“ verabschiedet, das unter anderem den Austausch mit Angehörigen oder Pflegefachkräften digital erleichtert. Die Telemedizin soll ausgebaut und attraktiver werden, E-Rezept sowie elektronische Patientenakten weiterentwickelt werden. Zudem können künftig digitale Anwendungen auch in der Pflege - wie beispielsweise Apps zur Sturzprävention oder zum Gedächtnistraining - in die Regelversorgung aufgenommen werden. Nicht zuletzt wird die Digitale Vernetzung ganzheitlich gefördert.

Grundsätzlich hat Digitalisierung das Potenzial, die Arbeit des Pflegepersonals zu erleichtern oder zu ersetzen. Vor allem körperlich, wenn beispielsweise durch intelligente Robotik das Heben und Tragen von Patienten vereinfacht wird oder Transportroboter Laufwege übernehmen. Die eingesparte Zeit darf dann jedoch nicht mit neuen Aufgaben gefüllt werden, sondern sollte den Patienten zugutekommen.

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